Wümmewiesen und Hollerland

Es ist wieder bald wieder soweit – demnächst regnet regnet in Strömen und die Wümme tritt über ihre Ufer.  Dann ist die Via Baltica an manchen Tagen an der Wümme nicht begehbar. Wer Glück hat und zu dieser Zeit in der Nähe ist und trotzdem noch trockenen Fußes durch die Wümmewiesen hat, kann ein einzigartiges Schauspiel bewundern, welches jedes Jahr etliche Vogelkundler anzieht. Falls dann noch die Sonne gnädig zu uns herunter scheint, gleicht dient der Wümmedeich einer Völkerwanderung.

Das Holler Land gehört zum Schutzgebiet der Wümme. Dieser Landstrich hat seinen Namen, weil die Wasserschutzmaßnahmen aus Holland importiert wurden. Die sieben Bauernsöhne „die Sieben Faulen“  sind in der Historie Bremens bekannt, weil sie diese Neuerung der Landschaftskorrektur hier erstmals bekannt machten. Allerdings ist diese Seite Bremens weitläufig davon verschont geblieben.

Jedes Jahr warten wir ab Mitte Januar auf Hochwasser in den Wümmewiesen. Als wir noch Kinder waren, konnten wir zwischen Borgfeld und Fischerhude die Wümmewiesen auf Schlittschuhen überqueren. So manchen Winter warteten wir auf die kältesten und frostigesten Wintertage, damit wir das Abenteuer in Angriff nehmen konnten, leider ist es schon lange nicht mehr kalt genug für eine derartige Aktion gewesen. Dafür haben wir jetzt im Frühjahr riesige Überschwemmungsflächen neben dem Wümmedeich, die Via Baltica führt auf der Hauptstrecke zwischen Fischerhude und Borgfeld genau auf dieses dieses Überschwemmungsgebiet zu. Zahlreiche Fotografen warten jedes Jahr auf diese letzten Winterwochen, in denen der Boden noch zu kalt ist um die großen Wassermassen aufzunehmen.

Bremen hat deshalb seit dem Mittelalter eine besondere Deichverordnung, die erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt wird. Der Wümmedeich ist ein Musterbeispiel für naturnahe Überschwemmungsgebiete, der NABU wurde extra gegründet, um dieses Gebiet unter besonderen Schutz zu stellen. Dadurch sind die Wümmeniederungen heute ein beliebtes Brutgebiet für Zugvögel. Besonders jetzt machen hier zahlreiche Schwäne Station und nisten sich häuslich ein. Hunde unbedingt an der Leine zu führen!

Dieses Überschwemmungegebiet reichte im Mittelalter bis Fischerhude und darüber hinaus. Besonders Fischerhude war bis weit in das letzte Jahrhundert jedes Jahr von den Wassermassen stark betroffen, die Aale konnten direkt in den Kochtopf der Hausfrau schwimmen und wurden insbesondere im 19. Jahrhundert von Bisamratten begleitet.  Erst massive landschaftliche Maßnahmen in den 1960er Jahren machten es möglich, daß auch Fischerhude im Winter trockene Wohnzimmer hatte.

Etwas weiter Wümme abwärts Richtung Weser baute man zu diesem Zweck zuerst eine Warft – ein sehr hoher von Hand aufgeschütteter Erdhügel, auf welchen anschließend das Bauernhaus gesetzt wurde. Heute stehen noch einige dieser Resthöfe in der Region, der Radfernweg und Pilgerweg Mönchsweg führt an einigen dieser Höfe vorbei.

Dieses Wümmeschutzgebiet hat zwischen Rotenburg und Ritterhude fast auf der gesamten Strecke auf beiden Seiten fünf Kilometer Schutzraum, der nicht bebaut werden darf, eher kommen neue Schutzgebiete hinzu. Wenn der Wasserstand der Wümme zu hoch wird und so die anliegenden Städte gefährdet, wird der Deich aufgebrochen. Das Wasser wird in diese Überschwemmungsgebiete abgeleitet.

Der Deichschutz hat rund um Bremen eine besondere Bewandnis. Reittiere dürfen nicht auf den Deich, denn ihre Hufe machen die Deichkrone kaputt. Eigens zum Schutz der Deiche hat Bremen einen Deichverband, welcher für die Instandhaltung und so für trockene Füße in der Stadt und den umliegenden Dörfern sorgt. Wasserschäden der Wümme sind in den Dörfern teuer und lästig, deshalb reagieren Ortsansässige allergisch, wenn jemand den Deichschutz verletzt, etwa Heringe eines Zeltes in den Boden drückt, Löcher buddelt oder ähnliche Deichschäden verursacht. Der Bremer Deichverband stellt sofort Strafanzeige und läßt sich den Schaden teuer bezahlen.

Wir Wanderer müssen in diesen Wochen mit nassen Füßen rechnen und bekommen dafür fantastische Panoramafotos. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, daß die Wassermassen von oben und von unten auf uns zuströmen, meißtens schauen aber die Wege noch gerade so aus dem Wasser heraus – ob man sie noch sieht ist eine andere Sache.

Der Jakobsweg Via Baltica führt mitten durch diese Feuchtwiesenlandschaft, die zu den größten in Norddeutschland gehört.

[powr-hit-counter id=a0f22f9b_1518129742336]