Schuhe auf Weitwanderwegen

Voie d’Ossau, Eaux-Chaudes, Chemin de Compostelle, GR108

Das Thema Wanderschuhe ist kompliziert, teuer und mit zahlreichen Fehlern behaftet. Meine Anfänge vor 12 Jahren auf dem Jakobsweg waren jedenfalls nicht gerade schmerzfrei. Als ich mich das erste mal mit dem Thema Jakobsweg auseinandersetzte, kamen zwei Alternativen in Frage: mit dem Fahrrad oder zu Fuß? Schnell hatte ich mich für die Wanderschuhe entschieden und mich auch gleich mit einem Paar Voll-Lederschuhe im Sportfachgeschäft mit Sonderpreis „Restposten“ ausgestattet. Wenn das damals die richige Schuhgröße gewesen wäre, hätte es sogar gut klappen können. Meine ersten Wanderschuhe waren aber nur eine halbe Schuhnummer größer als meine Füße und bei den ersten Probetouren zu Hause und im Winter stellte sich bald heraus: Damit schaffe ich keine zehn Kilometer. Als es dann endlich nach jahrelanger Überlegung auf die große Tour ging, bestellte ich mir im Online-Versandhandel ein paar leichte Wanderschuhe in der richtigen Schuhgröße, also eine ganze Schuhnummer größer und ich konnte die weite Passform wählen.

Für die ersten 180 Kilometer auf dem Jakobsweg vom Somportpass war das auch noch eine relativ gute Wahl, allerdings waren mir die Gorotex-Schuhe viel zu warm und die Füße glitschten und rutschten in dem viel zu großen Fußbett hin und her, es gab etliche Blasen, erst am Ende der Tour gaben die Blasen auf und ich kam tatsächlich auf den letzten drei Tagen Richtung Puente la Reina ohne Blasenpflaster aus. Die gleichen Schuhe hatte ich dann auch auf der Strecke bis Ponferrada an, allerdings hatte ich irgendwo unterwegs meine Wanderstöcke vergessen und mir die Füße durchgetreten. Die häßlichen endlos langen und heißen Teerstraßen taten ihr übriges dazu, die Füße schwollen an und ich konnte abends kaum noch auftreten, schon das Zähneputzen ging nicht ohne Fußweh, die Füße entzündeten sich und heute weiß ich, daß ein Haarriss im Vorderfuß Schuld dieser Misere war. Ich suchte nach der Tour das erste mal in meinem Leben einen Orthopäden auf und der sagte, naja – für sowas sind die Schuhe ja auch viel zu weich.

Für die letzte Strecke vom Jakobsweg kamen dann endlich meine viel zu kleinen, aber festen und bergsicheren Wanderstiefel zum Einsatz. Die ganze Tour war mit etlichen Blasen übersäät, aber die Füße entzündeten sich nicht mehr. Allerdings hatte ich viel zu wenig Platz in den Schuhen, so daß meine Wandersocken in den Rucksack wanderten und ich mich stattdessen mit Perlonsocken eindeckte, um die Strecke zu überstehen. Am Zielort angekommen, zog ich immer wieder die Schuhe aus und die Flipp-flops an, so daß mich die Leute fragten, ob ich die Schuhe verkaufen wolle oder ob es ein Andenken sei.

Für das darauffolgende Jahr kaufte ich mir also wieder andere Wanderstiefel, dieses mal noch einmal eine Schuhgröße größer, allerdings mit der Sohle B für bergsicher. Dies Sohle ist relativ steif und sicherlich super für alpine Bergtouren geeignet, die Stiefel hatte ich aber auf der Via Gebennensis an und so bergig ist es dann da doch nicht. Also war die Sohle viel zu fest.

Im darauffolgenden Jahr versuchte ich diese Bergstiefel auf Mallorca auf dem GR221 und stellte fest: die Füße kochen! Auch für diese Strecke wäre eine AB-Sohle besser geeignet als eine alpinsichere Sohle. Im Folgejahr probierte ich die Bergstiefel auf dem Karwendel aus, da waren sie tatsächlich super geeignet und kaum zu übertreffen und ich war begeistert, allerdings geht dort der Jakobsweg nicht über den Karwendel, der geht unten durch die Leutascher Klamm und dafür sind die Stiefel wieder zu fest. Über den Karwendel geht die Via Romea und dort wäre die Turnschuhvariante mit der AB-Sohle sicherlich total falsch gewesen.

Im Folgejahr hatte ich die Bergstiefel auf dem South-West-Path in Cornwall an, auch dort waren sie super und plötzlich super bequem, kaum zu übertreffen. Als ich wieder zu Hause war, stellte ich fest, die Sohle war gebrochen und das war der Grund für die Bequemlichkeit.

Als ich im darauffolgenden Jahr auf der Via Scandinavica war, kam wieder meine alte Billigvariante aus dem Online-Handel zum Einsatz, die Schuhe hielten tatsächlich bis Heidelberg durch und zerlegten sich dann in ihre Einzelteile. Kleben und tapen half gar nichts, insbesondere bei dem Dauerregen, den wir ab Hannover hatten. In Heidelberg kaufte ich mir dann notgedrungen von Jack Wolfskin Gorotex-Bergschuhe, mit denen bin ich dann bis Göttingen gelaufen. Seitdem dümpeln sie im Schuhregal und kommen höchstens mal auf kürzeren Strecken im Winter zu Hause zum Einsatz – sie sind einfach zu unbequem, mir schlafen nach maximal zehn Kilometern die Füße darin ein.

Auf der Via Baltica hatte ich ab Usedom dann mal wieder die Bergstiefel probiert, das ging gar nicht. Norddeutschland hat eben keine Berge. Ich hatte glücklicherweise Wandersandalen mit und konnte so nachmittags die Schuhe auf den Rucksack satteln. Heute sage ich: Welch ein Schwachsinn – unterwegs hatten wir Leute mit Barfußschuhen getroffen, die hatten es definitiv leichter. Die Via Baltica ist definitiv für leichte Weitwanderschuhe geeignet. Andere Strecken bin ich dann mit handelsüblichen Turnschuhen auf der Via Baltica abgelaufen, oder teilweise mit Wandersandalen, das ging prima.

Meine Bergstiefel mit der Sohle B kamen dann wieder auf dem Voie du Piémont zum Einsatz, auf dem hätte aber auch eine AB-Sohle gereicht. Wir sind aber auf den Voie d’Ossau abgezweigt und für den kann ich nur eine B-Sohle empfehlen, meine war allerdings nicht rutschfest genug, weil das nicht mehr die Original-Sohle war. Das Moos auf den Steinen glitschte super zwischen Stiefel und Weg. Tina hatte mit ihren billigen Aldi-Schuhen keine Probleme, allerdings hatten ihre Schuhe am Ende der Tour keine Polsterung mehr, das war ziemlich unbequem.

Weil wir dann mal wieder eine Tour im Flachland und ein bißchen Harz vorhatten, deckte ich mich in weiser Voraussicht mit super leichten Wanderschuhen aus, die einfach klasse waren. Das war meine erste Tour ohne Blasen, seitdem liegen drei Packungen Blasenpflaster bei mir im Rucksack, die einfach nicht weniger werden. Im gleichen Jahr waren wir dann aber noch in der Bretagne auf einem der dortigen Jakobswege, als wir wieder zu Hause waren, war meine Sohle der Weitwanderschuhe auch futsch, genauso wie Tinas Luftpolster in ihren Schuhen. Diese Schuhe haben keine 700 Kilometer geschafft. Die Schuhe waren gerade mal eingelaufen und schon kaputt. Außerdem wurden sie im Laufe der Sommertour immer weiter und die Füße hatten gegen Ende der Tour kaum noch Halt. Glücklicherweise konnte ich sie erfolgreich reklamieren, allerdings sitzen die Ersatzschuhe längst nicht so gut, wie das Original.

Letztendlich habe ich mir für dieses Jahr wieder ein Paar neue Wanderstiefel gegönnt und laufe sie im norddeutschen Winter im platten Flachland bei Glatteis ein. Es sind wieder Voll-Lederschuhe ohne Gorotex, damit die Füße nicht mehr schwimmen müssen, dieses mal habe ich eine AB-Sohle genommen. Meine alten Wanderstiefel habe ich eingeschickt, damit die Sohle fachgerecht ausgetauscht wird, es kommt wieder eine B-Sohle drunter, falls ich mal wieder in den Alpen bin. Oh je: Diesen Sommer sind wir in den italienischen Alpen, dort oben brauche ich die B-Sohle, das Ende der Tour – also die letzten zwei Tagesetappen, ist für eine AB-Sohle besser geeignet. Ich bezweifle, daß ich das Risiko mit der Turnschuhvariante AB-Sohle eingehe, meine Fußknöchel sind einfach nicht stabil genug – ich werde wohl wieder die festeren Bergstiefel für die Alpen nehmen. Wäre Norddeutschland mit Alpen ausgestattet, würden meine Füße wahrscheinlich stabil genug für die bequemeren Schuhe mit der AB-Sohle sein. Mal sehen, was das Höhenprofil sagt.

Fest steht – kein Gorotex mehr, die neuen Bergstiefel sind aus Leder von glücklichen Kühen und die Schuhe kann man ordentlich mit Wachs beschmieren, dann sind sie selbst bei unserem norddeutschen Schietwetter regendicht. Die Sohle läßt sich austauschen, das Innenleder wird mit Handcreme gepflegt und die Schuhe wiegen kaum mehr als die leichten Weitwanderschuhe, nur die neuen Wanderstiefel haben einen Knöchelschutz und schützt mich sogar vor norddeutschen Kaninchenlöchern. Außerdem: Je mehr die Füße im Alltag an Stress aushalten müssen, desto schlechter dürfen die Schuhe auf einem Weitwanderweg sein, oder besser – dann ist es fast egal, welche Schuhe man an den Füßen trägt, Hauptsache bequem. Büroangestellte, die jeden Tag nur den Weg vom Kopierer bis zum Schreibtisch zurücklegen müssen, haben es etwas schwieriger. Dann besser festere Schuhe und kürzere Tagesetappen. Zu der Sorte gehöre ich.

Die neuen Bergstiefel wirken hoffentlich der Wegwerfbewegung ein wenig entgegen, weil sie einfach haltbarer aussehen – mal sehen ob das stimmt. Dieses mal konnte ich bereits entscheiden, welche Schuhe ich will und zwischen verschiedenen in Frage kommenden Modellen entscheiden, der Schuh von Hanwag saß nicht fest genug an der Ferse und ich hätte den ganzen Fuß fest einschnüren müssen, damit er sitzt, der Lowa war zu unbequem und so bin ich das dritte Mal bei Meindl gelandet, die Marke ist aber irrelevant, sie liegen mehr oder weniger in der gleichen Preisklasse. Fest steht auch: Schuhe nur noch im Fachhandel mit Reparaturservice. Die neuen Schuhe sind ein Kompromiss zwischen Turnschuh und alpinsicherer Bergschuh, allwettertauglich und aus Bio-Leder. Ab morgen werden sie getestet!

Weiter mit dem Credencial und die Compostela